Schlagwort: Einzelhandelsstagnation

  • Einzelhandelszentren sind als Standort begehrt

    Tabakwaren-Fachhändler Christoph Sturm in Kempten berichtet über seine Erfahrungen

    Einzelhandel

    [pic|106|l|||Im Allgäu Forum in Kempten hat das Zigarrenhaus Sturm einen guten Standort.|||]

    KEMPTEN (DTZ / kdp). Einzelhandelsstagnation, Konsumverzicht, Einkommensverluste, Reglementierungen der Politik und Militanz einzelner gesellschaftlicher Gruppen gegenüber Tabakwaren, aber auch veränderte Ertragsbedingungen nähren kritische Diskussionen zur Perspektive und zu Chancen der Branche. DTZ hat in einem Gespräch Christoph Sturm (37), Fachhändler in Kempten im Allgäu, zu einzelnen Themen befragt und seine Gedanken im nachfolgenden Interview zusammengestellt, die sich mit Standort, Sortiment und Konsumentenstruktur befassen.

    DTZ: Das geflügelte Wort „Handel ist Wandel“ und „morgen ist anders als heute“ wird nicht selten als Hypothek und Belastung empfunden, weil wir Menschen uns bei Veränderungen eigentlich immer recht schwer tun. Wie ist das bei Ihnen ?
    Christoph Sturm: Dabei bin ich selbstverständlich keine Ausnahme. Steigende Umsätze, zum Teil auch Geschäftsausweitungen stacheln meine Initiative an, während negative Entwicklungen neben den Folgen für Kosten und Gewinn auch meine emotionale Verfassung erheblich beeinträchtigen. Wenn das endlich bewältigt ist, muss aber gehandelt werden, denn Probleme beschreiben ist eine Seite der Medaille, sie zu lösen hingegen die eigentliche unternehmerische Aufgabe.

    [pic|107|r|||Christoph Sturm ist mit seiner Standortwahl zufrieden: Gutes Center-Management sorgt für hohe Kundenfrequenz.|||]

    DTZ: Haben Sie dazu ein zeitgemäßes Beispiel ?
    Sturm: Mein Vater Franz Sturm hat den Betrieb mit mehreren Filialen aufgebaut, heute verfügen wir noch über zwei Geschäfte: Das Zigarrenhaus Sturm in Memmingen mit unserer Partnerschaft zu „John Aylesbury“ und unsere Filiale im Einkaufszentrum Forum in der Innenstadt von Kempten. Als vor fünf Jahren das Center gebaut wurde, haben wir lange überlegt im Forum präsent zu sein. Wir waren ja bereits in Kempten. Wir entschieden uns aus guten Gründen auch für diesen Standort, weil wir vom Erfolg überzeugt waren, auch wenn wir Risiken diskutiert haben. Die ehemalige Filiale konnten wir schließen, weil das Center so gut angelaufen ist. Also die Standortfrage stellt sich immer wieder neu, wir haben mit unserer Einschätzung richtig gelegen und die hohe Investition hat sich bezahlt gemacht. Man mag es drehen und wenden wie man will, Handel kann nur dort erfolgreich sein, wo Kunden gerne hinkommen. Hier kommt den SB-Warenhäusern wie auch den Einkaufscentern besondere Bedeutung zu, weil sie hohe Kundenfrequenz schaffen und bei Erfolg mit neuen Investitionen den Standort stärken, so wie die derzeitige Ausweitung und der Umbau in Kempten.

    DTZ: Sie haben Ihre Erfahrungen mit verschiedenen Geschäften gemacht. Wo liegen die Vorteile für ein Einkaufszentrum?
    Sturm: Das kann ich natürlich nur für Kempten beantworten. Das EKZ eröffnete in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt. Es war nicht die klassische Konkurrenzsituation „grüne Wiese kontra Innenstadt“, sondern der Besucher nutzt zur gleichen Zeit Zentrum und herkömmliche Innenstadt. Wobei sich ein besonderer Vorteil ergab, dass für die ländliche Region um Kempten herum die Stadt immer interessanter und begehrenswerter wurde.

    DTZ: Es gibt Händler, die beklagen die Abhängigkeit zum Management des Hauses. Als Nachteil wird die Miete genannt, die nach Umsatzhöhe gezahlt wird. Aber auch Vorgaben und Weisungen, an die ein selbständiger Unternehmer sich erst einmal gewöhnen muss.
    Sturm: Diese Vorbehalte haben wir nicht. Letztlich liegt ja gerade in der guten Organisation ein entscheidender Vorsprung. Wir haben ein gemeinsames Werbekonzept. Mittlerweile bestehen hier 92 Geschäfte mit 240 000 qm Verkaufsfläche, die für hohe Kundenfrequenz sorgen. Das Haus gehört zum Hamburger Unternehmen ECE, das bundesweit Einkaufszentren mit erfolgreichen Konzepten betreibt. Regelmäßige Investitionen sichern zugleich Modernität und Aktualität des Standortes. Dass dabei ein erfolgreicher Auftritt im Vorfeld koordiniert werden muss und das Management dabei die Moderation übernimmt, erscheint mir plausibel und sinnvoll.
    Bei uns ist im Prinzip immer etwas los. Da präsentiert sich die Feuerwehr, ortsansässige Vereine informieren und es gibt eine Vielzahl sonstiger Aktionen, die neben dem werblichen Auftritt des Centers und seiner Partner für hohe Besucherzahlen sorgen und damit die Nachfrage außerordentlich beleben. Selbst nach fünf Jahren finden sich bei mir immer noch neue Kunden ein, die ich zum Teil als Stammkunden behalte.

    DTZ: Wie hat sich die Ertragskraft Ihrer Sortimente verändert, wo und wie konnten Sie gegensteuern ?
    Sturm: Mit dem Spannenproblem Feinschnitt und Zigarette leben wir mittlerweile einige Jahre. Das stellt uns natürlich nicht zufrieden. Sicherlich hat der Schmuggel in unserer Region in Grenznähe zur Schweiz und Österreich nicht die große Bedeutung, die sich für Gebiete an Ostgrenzen ergeben. Um diese Ertragsverluste aufzufangen, haben wir den Bereich edler Spirituosen ausgebaut. Mit Produkten, die nicht in der Vergleichbarkeit mit der Lebensmittelschiene sind und hohe Qualität bieten, findet sich ein interessierter und konsumstarker Kundenkreis. Auch die Zusammenarbeit mit der Ermuri hat uns hierbei Inspiration gegeben.
    Bei der Zigarre zeigt sich ein überschaubares Minus, während Zigarillos Zuwächse verzeichnen. Kein Wunder, dass bei den praktizierten Rauchverboten speziell der Zigarrenraucher verunsichert war und zeitweise Konsumverzicht geübt hat. Bei der Zigarette findet sich glücklicherweise immer noch eine Zeitspanne und ein Ort, wo zwischendurch geraucht werden kann. Sicherlich besteht nunmehr Hoffnung, dass die zu erwartende neue bayrische Landesregierung aus dem vernichtenden Wahlergebnis gelernt hat und sinnvolle Freiräume für den Raucher wieder einführt.
    Auch dem Zubehörbereich und der Pfeife widmen wir unverändert große Aufmerksamkeit, weil die Anzahl der Geschäfte mit breitem Sortiment rückläufig ist und sich damit unsere Chancen verbessern. Ein besonders wichtiges Standbein bildet Lotto. Trotz der vielen Diskussionen zu diesem Thema vermittelt mir die Lottogesellschaft Bayern das gute Gefühl, dass für Erhalt und Existenz der Lottogeschäfte viel getan wird. Für das Tagesgeschäft wünsche ich mir regelmäßig hohe „Jackpots“. Sie bringen stets besonderen Zulauf.

    DTZ: Welche wichtigen Vorhaben sehen Sie in der Zukunft auf sich zu kommen?
    Sturm: Für Kempten verknüpfen wir unsere Entwicklung mit dem Center und sind guter Hoffnung. Themen wie Internet-Shop und Raucherlounge beschäftigen uns gedanklich, sind aber noch nicht im Stadium der Umsetzung.

    (DTZ 42/08)