Schlagwort: Bußgeldbescheid

  • MittagsSmoke am Bayerischen Landtag

    DTZ-Autor Frank Hidien über eine bayerische Provinz-Posse: Aficionados sollen Geldbußen zahlen

    MEINUNG
    Schön und gemütlich waren die Zeiten, als das königlich-bayerische Amtsgericht noch im Fernsehen tagte. Der Mensch durfte Mensch sein, insbesondere der im bayerischen Freistaat, wo die Uhren immer schon anders tickten. Was damals den Zuschauer amüsierte, ist leider Geschichte, denn aktuell schießen die Münchner Gerichts-Juristen mit scharfer Munition auf harmlose Spatzen. Was ist geschehen?

    [pic|54|l|||Anfang November 2007 vor dem Bayerischen Landtag: Die Aficionados sollen jetzt jeweils 300 Euro zahlen.|||]

    Anfang November des vergangenen Jahres (s. DTZ 45/07) versammelte sich eine Handvoll Aficionados, darunter zum Beispiel Münchner Fachhändler wie Helmut Diehl, Klaus Vogl (Dallmayr) und Harald Sommer, aber auch Importeure bzw. Hersteller wie Daniel Kohlhase und Oliver Schuster zu einem gemütlichen Plausch mit Zigarre vor dem Bayerischen Landtag. Wenige Tage später sollte selbiger über das Rauchen oder besser gesagt Nichtrauchen in der bayerischen Gastronomie entscheiden.

    Eine freundliche Polizeibeamtin zeigte baldiges Interesse und verwies die Anwesenden vom Vorhof auf die gegenüberliegende Straßenseite, weil die Bannmeile durch eine Demonstration (mehr als drei Anwesende!) verletzt sei. Dort dürfte man stehen. Das mittlerweile eingetroffene Fernseh-Team war zufrieden, ebenfalls der DTZ-Autor. Unzufrieden zeigten sich aber bald die zahlreichen Insassen der zehn nach und nach eingetroffenen Polizeiwagen, die alsbald eine Vielzahl von Telefonaten führten. Verletzung der Bannmeile, ja oder nein? Wo fängt sie an, wo endet sie? Das schienen die Fragen zu sein.

    Das Gesetz zur Bannmeile, das seit 1999 „Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes“ heißt, gibt hierüber nur konkret für Gebäude wie den Bundestag mit Straßen und Entfernungen Auskunft. Ansonsten scheint es im Ermessen des Präsidenten des betreffenden Verfassungsorgans zu liegen, die Grenzen zu definieren. Ob die Polizisten den Landtagspräsidenten wohl ans Handy bekamen? Wie dem auch sei, alsbald nahmen viele fleißige bayerische Polizisten die Personalien auf. Die Fragen, ob man nun innerhalb oder außerhalb der Bannmeile stände und wo man definitiv auf der „sicheren“ Seite wäre, wurden ignoriert. Ebenso der Hinweis, dass es sich nicht um eine Demonstration handele, sondern um einen harmlosen Mittags-Smoke, den man ja bald nicht mehr in der Gastronomie durchführen könnte. Auch der Verweis auf die oben genannte Polizistin, die ja vermeintlich einen „sicheren“ Platz angewiesen hatte, erzeugte keine Reaktion.

    Wochen vergingen und die damals anwesenden Aficionados erhielten unfreundliche Post der Polizei mit der Bitte um Stellungnahme zum Sachverhalt. Erneut vergingen Wochen und der Verdacht keimte auf, dass die ganze Posse wegen Nichtigkeit zu den Akten gelegt worden wäre. Dann wurde ein Münchner Journalist mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe „eine Versammlung innerhalb des Bannkreises veranstaltet, obwohl diese nicht angemeldet war.“ Dies kann mit einer Strafe bis zu einem Jahr geahndet werden! Der Journalist hatte auf seiner Internet-Seite auf den Mittags-Smoke hingewiesen und über den Tag berichtet. Als er seine Akte anforderte, musste er feststellen, dass ein Treffen im Löwenbräukeller aus dem Dezember zum Thema Nichtrauchen in Bayern von einem Polizisten „begleitet“ worden war.

    In einem Gedächtnisprotokoll hatte er den Abend wiedergegeben. Wer immer noch anzweifelt, dass Raucher bald in die Nähe von staatsgefährdenden Terroristen gestellt werden, sollte ins Grübeln kommen. Mitte März 2008 schien aber Entwarnung zu kommen, denn die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen ihn ein, „ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung sei nicht gegeben, die Schuld wäre als gering anzusehen“. Aber weit gefehlt, damit war nur der Vorwurf seiner Rädelsführerschaft gemeint, denn nun im Juli erhielten neben ihm zahlreiche Aficionados einen Bußgeldbescheid in Höhe von 300 Euro plus Gebühren!

    „Und so sehen wir betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen“, sagte Marcel Reich-Ranicki am Ende jeder Sendung des Literarischen Quartetts. Friedliche Aficionados dürfen nicht mehr an der frischen Luft rauchen? Demnächst dehnt die Polizei willkürlich die Bannmeile bis zum Löwenbräukeller aus, weil dort eine Demonstration vermutet wird? Ein Journalist darf nicht mehr ungestraft seinem Beruf und der demokratisch verankerten Informationspflicht nachgehen?

    Auch der damalige DTZ-Korrespondent hat ein Bußgeld erhalten. Und die Bitte der, übrigens im Bußgeldbescheid namentlich erwähnten Polizeibeamtin, die andere „sichere“ Straßenseite aufzusuchen, hat keine Substanz, weil die Kollegen sie ignorieren? Was ist vom ach so gelobten Freistaat Bayern übrig geblieben? Eine Posse!
    Frank Hidien

    (DTZ 29/08)