Gerichtliches Nachspiel zur steuerlichen Einstufung von Tabaksträngen
TRIER/BIELEFELD (DTZ/pnf). Am 4. August 2010 wird vor dem Landgericht Bielefeld (Aktenzeichen 1 O 367/09) eine ungewöhnliche Angelegenheit verhandelt: Der Insolvenzverwalter der Reindl GmbH („Stax“) hat die Bundesrepublik Deutschland – Steuerzeichenstelle Bünde – auf Zahlung von mehr als 315.000 Euro Schadensersatz verklagt.
Die Reindl GmbH hatte im Sommer 2006 – zeitlich zusammenfallend mit dem Auslaufen der „Sticks“-Bestände – die „Stax-Trio“-Tabakstränge auf den Markt gebracht. Diese Tabakstränge waren im Grunde genommen eine leicht modifizierte Wiederbelebung der schon Mitte der 90er Jahre von der Badischen Tabakwaren Manufaktur auf dem Markt platzierten „West Longies“.
Streit entzündetete sich an der Bezeichnung
Sie hatten im Herbst 2006 zu heftigen Streitigkeiten zwischen der Firma Reindl und der Steuerzeichenstelle Bünde geführt (DTZ berichtete). Die Diskussion drehte sich darum, ob wegen der Bezeichnung der Produkte oder bestimmter Packungs- und Werbegestaltung von Reindl nicht der nach dem Tabaksteuergesetz vorgeschriebene Steuersatz (1 Tabakstrang = 2 Stück Zigaretten) zu erheben war, sondern die 3-fache stückbezogene Steuer.
Die Auseinandersetzung führte dazu, dass die von Reindl beschafften Verpackungen und Werbemittel für den Marktstart im Sommer 2006 nicht mehr verwendet werden konnten. Reindl konnte erst Monate später als geplant mit dem Produkt auf dem Markt auftreten. Zu diesem Zeitpunkt führten jedoch auch andere Anbieter wieder Tabakstränge. Pikanterie am Rande: Die der Firma Reindl aufgegebenen Vorgaben zu Verpackungsgestaltung und Werbung wurden – zumindest nach Auffassung von Reindl – den später auftretenden Wettbewerbern von Bünde nicht auferlegt.
Reindl-Investitionen ließen sich nicht mehr amortisieren
Ein gutes Jahr später hatten Finanzgericht und der Bundesfinanzhof der von Reindl seinerzeit eingereichten Klage zwar stattgegeben. Die Chance als „first mover“ und die hohen sechsstelligen Investitionen in den Maschinenpark zur Herstellung der Tabakstränge konnten von Reindl aber angesichts des heftigen Wettbewerbs nicht einmal annähernd wieder eingespielt werden.
Diese wirtschaftliche Entwertung von Material und Maschinen fordert der Insolvenzverwalter von der Steuerzeichenstelle nunmehr als Schadensersatz ein – im Juristendeutsch eine „Amtshaftungsklage wegen enteignungsgleichen Eingriffs“.
Juristisch haltlos
Nach Ansicht von Reindl war die von Bünde vertretene Ansicht offensichtlich juristisch haltlos und die mit der Verweigerung der Ausgabe korrekter Steuerzeichen verbundene Entwertung von Eigentum der Firma Reindl als Folge auch erkennbar.
Nach dem Vortrag aus Bünde dagegen war ihre Rechtsansicht als „Ergebnis einer gewissenhaften und sorgfältigen Prüfung“ dagegen zumindest nicht in vorwerfbarer Weise falsch. Im Übrigen hätte die Firma Reindl den eingetretenen Schaden auch selbst verschuldet. Sie habe weder im Vorfeld das geplante Neuprodukt mit der Steuerzeichenstelle abgestimmt, noch bei ihrem Antrag auf einstweilige Verfügung zur Erzwingung der korrekten Steuerzeichen-Ausgabe ausreichend Sachvortrag gehalten, um vor dem FG Düsseldorf bereits Erfolg zu haben.
Dem hält der Reindl-Insolvenzverwalter wiederum entgegen, dass die steuerliche Einordnung des Produkts jedem klar gewesen sein müsse, nachdem Mitte der 90er Jahre gerade wegen der im Grunde identischen „West Longies“ die Tabaksteuer-Richtlinie und das TabStG mit einer stückbezogenen Steuer nach Länge des Tabakstrangs geändert wurden.
Man darf gespannt sein, ob der Klage Erfolg beschieden ist. Eine derartige Klage ist in der Branche wohl einmalig. Dem Vernehmen nach sind als Zeugen unter anderem auch Vorstandsmitglieder der „großen Vier“ benannt worden.
(DTZ 27/10)